Von Judith: Taxibranche vor der App-Revolution?
Daimler hat vor wenigen Tagen über seine Car-Sharing Tochter Car2go zusammen mit weiteren Investoren in ein junges Technologie-Unternehmen in Hamburg investiert. Dessen App bringt einer traditionell mittelständisch geprägten Branche möglicherweise die Strukturrevolution: myTaxi ist eine Smartphone-App, die den unmittelbaren Kontakt zwischen Taxi-Suchern und Taxi-Fahrern herstellt. Die App zeigt dem Kunden Taxen an, die in der Nähe unterwegs sind. Per Klick kann er diese dann zum eigenen Standort bestellen und kann zudem permanent die aktuelle Position seines Taxis verfolgen und die Fahrtdauer beobachten. Eine Taxizentrale ist damit überflüssig.
Und da ist er! Der Wendepunkt: Es geht hier nicht etwa lediglich um das Kommunizieren via Smartphone oder Social Media-Kommunikation per App, um das Twittern von Ereignissen und mehr oder minder bedeutsame Statusupdates auf Facebook, sondern um die Grundfesten eines bewährten Geschäftsmodells, die durch eine App in einem neuen Angelpunkt gelagert werden. Wenn die Innovation sich durchsetzt, verändert sie die Zusammensetzung der Branche und macht aus ihr eine andere, in der Zweck und Ziel erhalten, der Wertschöpfungsprozess und damit die Branchenstruktur aber verändert sein werden. Die Branche und ihre Assets werden zerfasern in lauter Kleinstunternehmen, mehr noch, als es jetzt bereits der Fall ist. Das hat natürlich Konsequenzen für die mittelständisch geprägte Branche, die sich in der Provinz zumeist aus Lokalmonopolisten mit Reviergrenzen zusammensetzt. Besonders kritische Betrachter könnten scharfen Blickes sogar Gebietskartelle entdecken. Die fänden in einer App-Revolution womöglich ihr Ende!
Der Klassiker: Erfindung aus banalen Gründen
„Ritter Sport“ ist so quadratisch-praktisch, weil neben dem Sitz des Familienunternehmens Alfred Ritter in Waldenbuch einst ein Sportplatz war – die großen Tafeln passten aber nicht in die Sporthosen und das Format musste schrumpfen, vom Rechteck aufs Quadrat. Der Klassiker: Die Situation kann an Banalität kaum überboten werden, so wird dann eine durchsetzungsfähige Marke geboren, die auf echten Alleinstellungsmerkmalen fußt. Twitter war ein Instant Messanger, der die interne Kommunikation der Podcasting-Firma Odeo in San Francisco zügiger machen sollte.
Bei der Intelligent Apps GmbH war die Keimzelle eine Partynacht
Eine Partynacht mit Heimkehrschwierigkeiten: „Nic, mein heutiger Geschäftspartner und ich waren in einer Vorstadt-Disko in München. Wir brauchten ein Taxi. Nur woher? Wir hatten weder eine lokale Taxinummer noch den Standort. Wir fragten uns, ob dieses Problem in der heutigen Zeit noch eines sein muss und diskutierten den ganzen Abend über unsere Zukunfts-Vision des Taximarktes“, schildert Mitgründer Sven Külper im Interview mit t3n.de.
Zur Stunde gibt es laut der Erfinderfirma Intelligent Apps GmbH etwa 800.000 Nutzer der Taxi-App, sie ist in 30 deutschen Städten sowie in Wien und Zürich verfügbar. 7.000 Taxifahrer nutzen die Applikation und sie ist auf iPhone, iPad, iPod Touch und auf Geräten mit Android-Software verwendbar. Nun steht die Expansion ins europäische Ausland an. Neben Autobauer Daimler und der staatseigenen Förderbank KfW haben sich für diesen Schritt auch die bereits investierte Telekom-Tochter T-Venture und der Xing-Gründer Lars Hinrichs begeistern können und gaben insgesamt 10 Millionen Euro.
Mit 80 Prozent Marktanteil bei der Taxivermittlung via Apps ist myTaxi bereits heute Marktführer in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz. Neuinvestor Hinrichs sagt: “Der Taximarkt wird sich durch die Digitalisierung der Bestellung nachhaltig verändern. myTaxi hat als kreativer Revolutionär die Möglichkeit, in diesem Milliardenmarkt in Europa eine führende Stellung zu übernehmen”.
Ich habe bei der KfW nachgehakt: Die KfW Bankengruppe schätzt die Zukunft dieses Marktes ganz ähnlich ein. Albrecht Deißner, Leiter des Beteiligungsgeschäfts, begründet auf unsere wwwe-Anfrage hin die Investitionserwägungen damit, „dass die Beteiligung an mytaxi nach den Investitionskriterien des ERP-Startfonds erfolgte, junge Technologieunternehmen mit einem innovativen und tragfähigen Geschäftsmodell zu unterstützen.“
Intelligent Apps ist indessen nicht der einzige Anbieter fortschrittlicher Taxi-Ordertechnologien: Die Berliner Taxi Pay GmbH hat unlängst eine „Taxisuite“ auf den Markt gebracht. Auf der Onlineplattform gibt man einfach Stand- und Zielort ein, im Falle eines mobilen Endgerätes mit GPS-Zugriff sogar ohne Eingabe des eigenen Standorts, und ruckzuck wird ein Taxi aus der näheren Umgebung hergeführt. Hinter dem Modell des Unternehmens steht eine große Initiative, die mit Taxizentralen in acht europäischen Ländern zusammenarbeitet. So hat die Plattform in 60 europäischen Städten Verbreitung gefunden. Das Herunterladen einer App ist zudem nicht nötig.
Habe ich mittelständische Branchen übersehen, die bereits eine fundamentale Revolution durch Apps hinter sich haben? Welche klassischen Mittelstandsbranchen werden sich in absehbarer Zukunft noch durch den Einfluss von mobilen Anwendungen grundlegend ändern? Schreiben Sie mir, ich bin an Ihrer Meinung sehr interessiert!
2 Kommentare
25 Jan 2012
Ich denke mal, dass ich nicht der einzigste bin, der sich, wenn er das liest, fragt, warum erst jetzt die Idee kam. Das Potenzial würde ich ebenfalls sehr hoch einschätzen. Schließlich würde ich selbst öfters das Taxi nehmen, wenn das so leicht per App gehen würde, und ich könnte mir ebenfalls denken, dass es vielen anderen auch so geht.. Werde ich mal weiter im Auge behalten.
25 Jan 2012
Ich denke mal, dass ich nicht der einzigste bin, der sich, wenn er das liest, fragt, warum erst jetzt die Idee kam. Das Potenzial würde ich ebenfalls sehr hoch einschätzen. Schließlich würde ich selbst öfters das Taxi nehmen, wenn das so leicht per App gehen würde, und ich könnte mir ebenfalls denken, dass es vielen anderen auch so geht.. Werde ich mal weiter im Auge behalten.