Von Judith: Deutschland lässt sich ungern in die Karten schauen
Anfang des Monats kündigte Google an, dass der umstrittene Online-Kartendienst „Google Street View“ zum Ende des Jahres auch in Deutschland starten soll. Der Dienst kann bereits in 23 anderen Ländern genutzt werden. Ab Dezember kann man nun auch virtuell durch deutsche Straßen wandern. Zu Beginn sollen die 20 größten Städte Deutschlands zur Verfügung stehen, eine davon ist auch Düsseldorf.
Endlich können sich dann zum Beispiel italienische Urlauber im Voraus ein genaues Bild ihres deutschen Urlaubsziels machen. Wer kennt es nicht? Der Sommerurlaub steht vor der Tür und schnell wird in Google Street View die Umgebung des Urlaubsziels begutachtet. Oder unsere I-Dötzchen hätten die Möglichkeit, sich vor dem ersten Schultag den kürzesten Schulweg in Google Street View anzusehen. An potenziellen Einsatzmöglichkeiten für den neuen Dienst mangelt es also nicht. Allerdings muss man auch davon ausgehen, dass Schandtaten mit den neuen Möglichkeiten von Google Street View betrieben werden könnten. Aus diesem Grund sind Datenschützer, Politiker und viele Bürger in Deutschland in Aufruhr. Die detaillierten Straßenansichten könnten zum Beispiel Kriminelle nutzen, um online ihren Einbruch oder Überfall zu planen. Viele Politiker und vor allem Kommunen setzen sich daher intensiv dafür ein, dass Häuser oder Wohngegenden nicht einfach online präsentiert werden.
Google stellt dafür Hausbesitzern ein vierwöchiges Widerrufsrecht zur Verfügung. Betroffene aus einer der 20 deutschen Städte können seit Montag, den 15. August 2010 bis zum 15. September bei Google beantragen, dass ihr Wohnhaus unkenntlich gemacht wird. Dafür hat der Konzern ein Formular im Netz zur Verfügung gestellt. Nach Eingabe der Wohnanschrift wird das Grundstück auf der Google-Karte markiert. Zusätzlich müssen Hausbewohner oder -besitzer eine kurze Beschreibung Ihres Hauses hinterlassen. Im Anschluss schickt Google einen Verifizierungscode an die angegebene Adresse. Damit wird sichergestellt, dass es sich wirklich um den betroffenen Hauseigentümer oder Bewohner handelt. Erst wenn über einen Link der Code an Google übermittelt wurde, wird die Unkenntlichmachung bearbeitet. Doch auch das Widerrufsformular steht in der Kritik der Öffentlichkeit. Die vierwöchige Frist sei zu kurz bemessen. Insbesondere da zum Zeitpunkt der Bekanntgabe viele Deutsche gerade ihren Sommerurlaub angetreten haben. Nur wenigen wird es also möglich sein, noch rechtzeitig in Aktion zu treten.
Außerdem, so der allgemeine Tenor, sei es eine Frechheit, dass Google einfach Privatpersonen und Autos fotografiere und anschließend ohne weitere Erlaubnis ins Netz stelle. Google stellt die Bürger damit vor vollendete Tatsachen. Zur Verhinderung müssen erst die Bürger in Aktion treten. Betroffene hätten vorab informiert werden müssen. Google allerdings bleibt standhaft und hält an dem Starttermin Ende des Jahres fest.
Google bekommt Persönlichkeit
Google schlägt zudem einen interessanten Weg in den Medien ein. Das Unternehmen begrüßt auf seiner Google Street View Datenschutzseite den Besucher mit einem kleinen Video. Kindgerecht aufbereitet, erklärt Google hier seinen Dienst und den Vorgang der Unkenntlichmachung. Vergleicht man die Aufmachung des Clips mit den Negativ-Schlagzeilen der letzten zwei Wochen, sind diese im Nu vergessen. Verniedlichung wäre wohl der treffende Begriff. So fährt eine lebende Street View Kamera durch eine Landschaft aus Holzbauklötzen und erklärt den Vorgang der Gewinnung von Street View Daten. Im Anschluss muss sich die lebende Street View Kamera bis tief in die Nacht damit beschäftigen, eingesendete Anfragen zur Unkenntlichmachung zu bearbeiten. Google zielt damit auf Emotionen. Nachdem man sich den Clip angesehen hat, kann man es kaum noch übers Herz bringen, der kleinen Street View Kamera so viel Arbeit zuzumuten. Auch in den Printmedien schaltete Google große, nicht übersehbare Anzeigen. Damit will Google kurz vor dem Start des Dienstes alle offenen Fragen aus dem Weg räumen.
Man kann gespannt sein, welche Geschütze noch aufgefahren werden. Sei es von Seiten der Gegner des Google-Dienstes oder von Google selbst.
Weitere Informationen zum Thema Google Street View finden Sie in folgenden Artikeln:
- Gebühren für Google Street View
- Googles Kameraobjektiv sitzt einen Meter zu hoch
- Google Street View in der Kritik
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Vera Nensch
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